Es finden sich in den dreidimensionalen „Steinskizzen“- so bezeichnet Kossack selbst diese Werke - Verbindungen zu Organischem, zu menschlichen oder tierischen Skelettteilen. Daneben lassen die Bruchstücke auch technisches Kriegsgerät assoziieren. Das Leiden von Tier und Mensch aufgrund sozialer Verwerfungen und politischer Machtansprüche schafft Wut, die in diesem kreativen Prozess Gestalt findet.
Es ist aber nicht nur Schrecken, der aufbricht, oder Trauer, die sich einstellt, wenn man den Skulpturen begegnet. Es hat auch etwas Befreiendes, weil Enttabuisierendes, wenn man sich so selbstverständlich der Realität stellt, nichts verleugnet oder verdrängt. Geradezu banal erscheint bisweilen der Bildgegenstand.
Doch schaut man genauer hin, so eröffnet sich ein Horizont, an dem das Eingebundensein der Kreatur in den Prozess des Lebens und Sterbens deutlich werden kann. Dabei wird der natürliche Umgang mit Vergänglichkeit , mit Leben und Tod demonstriert. Auch wenn uns die Welt anlacht, müssen wir uns gewiss sein, dass das Ende kommt, sei es mit Schrecken oder auch mehr oder weniger angekündigt.
Für Kossack gilt: Leben und Tod als untrennbare Komponenten eines Prozesses erfahrbar zu machen. Sein Verständnis von Ästhetik ist ein umfassendes: Nicht das vordergründig Schöne, auch nicht die Lust am Morbiden, sondern das hinter der Fassade Befindliche, das Eigentliche, das Existentielle machen die Besonderheit seiner Skulpturen aus.
...In der Bildhauerwekstatt arbeitet er so, wie Künstler seit Jahrhunderten ihr Handwerk betreiben. Unerbittlich muss die Form aus dem harten Stein herausgearbeitet werden. Fern der Korrigierbarkeit anderer, insbesondere der sogenannten neuen Medien, hat jeder Fehler unumkehrbare Konsequenzen, so dass Konzentration und überlegtes Vorgehen bei der Arbeit unerlässlich sind.
Zum anderen steckt in Kossacks Arbeiten ein großer inhaltlicher Impetus, der Ergebnis einer ernsthaften und nachgerade obsessiven Auseinandersetzung ist. Kossack ist ein Mensch, der Lebensfreude mit einer in ihm eigenen Bodenhaftung verbindet. Dies gibt ihm die mentale Stärke, sich in seiner Arbeit der dunklen Seite des Daseins, der Vergänglichkeit und dem Tod, zu stellen.
In der Kunst sind die Themen des Zerfalls paradoxerweise zeitlos. Lebten nicht bereits die anonymen Steinbildhauer der romanischen Tympanen ihre Phantasie in der Seite des Weltgerichts aus, wo es um das Verdammtsein zur Hölle ging. Von der Pieta-Darstellung des Spätmittelalters über die Welt des Hieronymos Bosch bis hin zum Memento Mori des Barock reicht die Vanitasthematik.
Die auf die schwarze Seite der Romantik des 19.Jh zurückgehende Gothik-Jugendkultur mag ein unbewusster Auslöser für Kossack sein, der ihr Aufkommen in den 80er Jahren als Jugendlicher erlebt hat. Während diese Bewegung das Ruinöse, Ritter, Tod und Teufel durch die Brille des schönen Schauers betrachtet und der Tod zum Sehnsuchtsmotiv verklärt, gehen die Werke von Hans-Jürgen Kossack in ihrer Aussage weitaus tiefer. Es geht um das Vergängliche als natürlichem Bestandteil des Lebens.
Kossacks Arbeiten sind in ihrer gedanklichen und inhaltlichen Kraft unverwechselbar und nehmen die Chance wahr, einen blinden Fleck unserer Wahrnehmung zu besetzen.Sie stehen im totalen Gegensatz zur bunten und verführerischen Bildästhetik, die durch die Massenmedien unablässig auf uns einwirkt, und lenken das Augenmerk auf Bereiche, die im alltäglichen Leben nur allzuleicht verdrängt werden.
Ein Künstler, Jahrgang 1965, ist also mit diesem Werk und dieser Intention und Konsequenz doch etwas ungewöhnlich. Darüber, was letztendlich für ihn Impuls für die Arbeit an diesem Themenbereich sein mag, möchte ich gar nicht spekulieren, dass aber eine ausgeprägte Sensibilität im Umgang damit mit einem ebenso ausgeprägten und sehr differenzierten Betrachten von Wirklichkeit, lebendiger Wirklichkeit, einhergeht, scheint ganz und gar nicht spekulativ. Und dies lässt sich thematisch an der Arbeit von Hans-Jürgen Kossack ablesen. Auf die Frage nach der immer wiederkehrenden plastischen, malerischen Formulierung toter Vogelkörper z.B., wird vom Künstler eine ganze Antwortgeschichte geboten: Von einem Fundstück wie einem Schlüsselerlebnis, das in seiner Körperhaltung mit angelegten Flügeln nicht nur eine, ja schöne, formal differenzierte Kompaktheit erkennen lässt (und zwar eben nur in diesem toten Moment), sondern in dieser Form auch ganz unaufdringlich an unsere eigene unausweichliche „Landung“ nach vielleicht hochfliegenden Lebensflugsversuchen erinnert.
Entsteht nicht so zwischen Vogel und z.B. Gefallenen eine beinahe logische Affinität ? Und ist es nicht gut zu wissen, dass die „Nachnachkriegsgeneration“ die Auseinandersetzung mit dem Tod, speziell seiner gewaltsam herbeigeführten Form, nicht der inflationär ausgebreiteten Deutung der Unterhaltungsindustrie überlässt ? Sondern „Flagge zeigt“. Dem nach-wie-vor geltenden Sachzwang, dass bestimmte Kriege einen Sinn liefern, Leben zu nehmen und Leben herzugeben, schadet es nicht, eine Haltung entgegenzusetzen, die sich den Kopf zerbricht – und zwar vorher, und nicht im Nachhinein den Schädel. „Flagge zeigen“ könnte demnach auch eine Aufforderung sein, Ursache und Wirkung niemals außer acht zu lassen und über nationale wie persönliche Verantwortung nicht nur zu fabulieren, sondern sie zu formulieren versuchen.
Ein Dilemma vielleicht, in das uns der Künstler manövriert hat ? Mittels der Kunst bietet er aber auch etwas Versöhnliches, mit allem Tod und seinen grauenhaften Varianten umzugehen. Das Einladende zur Auseinandersetzung, das ganz und gar nicht Abstoßende, sondern Ästhetische der Arbeiten wird erreicht mit einer Sensibilität, nämlich der materiellen und der technischen Art. Mit allem was die Natur an Pigmenten und Pulvern bietet, werden Nuancen um Nuancen und jenseits aller vorlauten Buntheit feinste Übergänge und Metamorphosen gezeigt und eröffnet. Und vom Handwerk hat er die Sorgfalt der Anwendung, der Behandlung „geerbt“, die es uns erst ermöglicht, diesen und jenen Hinweis zu bekommen. Und schließlich hat der Künstler nicht nur Perfektion Richtung Ergebnisorientierung gelernt, sondern vermittelt eine Art „Prozessdisziplin“, die alles statische Verharren und Hängenbleiben vermeidet oder überwinden will.
Auf diese Weise hält er sich wohl beim Arbeiten und vor allem uns beim Betrachten in Bewegung – und sogar, wie man sieht, beim Sprechen über den Tod.
ANFANG KLASSE WAHN NACHT SEKUNDE STARRE ATEM MASSE BREI NAHT REPTIL BAKTERIE ÄTHER METEORIT HAUT DOKUMENT PHÄNOMEN BLASE DEMUT IMPERATOR LAST BETRUG FLEISCH ANONYM GULAG SCHLEIM WAHN APOLLO FESTUNG SYMBOL SAMEN FROST HEIMAT INJEKTION KLAMMER SPLITTER PRIMAT SUCHT NEBEL RÜCKZUG UTOPIE KADAVER AUFBAU GIFT UMBRUCH NATUR BATTERIE PLANET RUMPF HOFFNUNG GALLE UNTERGANG ARSENAL STURZ NACKT UNIVERSUM VERHÖR ECHO ASCHE ATTRAPPE HERZ TEER KNOCHEN VERBAND PANZER ÖL NETZ BUNKER PRESSE AUSBRUCH TIEFSCHLAG ORDNUNG SCHILD LÜGE BERG PARASIT WUNDE STRATOS SCHEIN HEER ZECHE TORSO ELITE CRUX SALZ PHASE ROH STERN ASPIRIN VERLUST ALTAR FRAKTUR EREMIT KRATER SEHNE RELIQUIE TAU METROPOLIS FELS FALKE TEMPO ERROR ZONE TURM GEBURT QUERSCHNITT VERBINDUNG GRUND KOITUS SPERRE FRAGMENT GRABEN UNTERZAHL TIEFE STERIL MASCHINE ORGAN PRODUKT TRADITION NAHRUNG WACHS KARTUSCHE SCHNITT RAUCH WIRBEL PLAN ABGRUND ANARCHIE WORT KEIL ULTIMATUM SCHRAPNELL GEIST INSEKT TABU SPUR FLÜGEL TRÄNE KULISSE TERRAIN EPIDEMIE SERUM ELEMENT UNTERGRUND WANZE ZEICHEN MAUER SIGNAL NÄSSE AUFSTIEG GEFÜHL MÜLL KASEMATTE ZEREMONIE SCHWACHSTELLE RISS GELÜBDE UNTERTAN HITZE STARRE EFFEKT WAND MEDIUM OBERFLÄCHE AUSSCHLAG BRUCH MORBID EIS AAS ZELLE NACHSCHUB BETÄUBUNG ÜBERMACHT RUHE FUNKTION MACHT FLUCHT ORBIT STRATEGIE ANALYSE LICHT BOHRUNG EMBRYO WAHRHEIT GEHEIMNIS LÜCKE VERTIKAL SCHICHT TORSO WUNSCH KAMMER URSACHE STILLSTAND ZWECK WERK ABSURD RELIKT OPERATION ÜBERMUT GRUND MAGAZIN EXPERIMENT KREUZ ELIXIER FREILEGUNG ODYSSEE PROJEKTIL GITTER LAPSUS GRUFT DAMPF SINNLOS GIER FELD SCHACHT PULVER VORSTIEG HINTERHALT BEWUSSTSEIN WACHSTUM ORGAN ELEND SPROSSE KONSERVE VENE DRAMA AMORPH SICHERUNG TRIEB RÖHRE DEBAKEL WURZEL EID DEFEKT GRABEN KRAFT VORBILD SAMT OPFER MASCHE TRENNUNG RAUSCH